Im VdS-Journal Nr. 90 (3/2024) ließ mich ein Eintrag stutzig werden: Am 26. August sollte der Kleinplanet (386) Siegena einen Planetarischen Nebel passieren. Siegena? Was hat es mit dem Namen auf sich?
Die Namensgebung von Kleinplaneten hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Nach Entdeckung der Nr. (1) Ceres Anfang des 19. Jahrhunderts wurde lange Zeit ausschließlich die griechische Mythologie bemüht. Irgendwann gingen diese Figuren aber aus, und so wurde der Namensraum ausgedehnt – mit der Maßgabe, dass Kleinplaneten weibliche Bezeichnungen bekommen sollten. Dies führte dazu, dass Entdecker ihre Wunschnamen „feminisierten“ – so etwa (325) Heidelberga, mit der der berühmte Entdecker Max Wolf seine Heimatstadt ehrte. Sollte etwa (386) Siegena auch…? Tatsächlich: Lutz Schmadels „Dictionary of Minor Planet Names“ führt aus, dass Siegena nach der Stadt Siegen benannt wurde, und zwar auf Vorschlag von Prof. Heinrich Kreutz.
Prof. Kreutz wurde 1854 in Siegen geboren. Er war ein bekannter Astronom und Kometenforscher und um die Jahrhundertwende Herausgeber der „Astronomischen Nachrichten“, eine der führenden Fachzeitschriften dieser Zeit. Mit der Namensgebung des Kleinplaneten Nr. (386) setzte er seiner Geburtsstadt ein Denkmal im All. Das Objekt wurde 1894 von Max Wolf entdeckt. Siegena hat einen Durchmesser von 165 km und bewegt sich auf einer Bahn zwischen Mars und Jupiter etwa alle fünf Jahre einmal um die Sonne.
Und dieser Kleinplanet steht derzeit im August 2024 im Sternbild Adler am Südhimmel über der Stadt Siegen. Allerdings ist er mit einer Helligkeit von 12 mag weit über hundert mal lichtschwächer als die schwächsten mit bloßem Auge sichtbaren Sterne und erst in mittelgroßen Teleskopen zu sehen.
Am 19. August habe ich einen ersten fotografischen Versuch unternommen. Die äußeren Bedingungen waren miserabel: Von einem Balkon nahe der Innenstadt störte nicht nur das übliche Streulicht, sondern auch der nicht allzu weit entfernte Vollmond; hinzu kamen Schleierwolken, so dass die visuelle Grenzgröße kaum 3 mag erreichte. Aber ich habe Siegena erwischt:
Auf dem Foto verrät er sich durch seine Strichspur, die er während der insgesamt einstündigen Belichtung auf dem Chip der Kamera hinterließ (roter Pfeil). Aufnahmedaten: Canon 6D am 150/750 mm Newton, UHC-S-Filter, 60 x 1 min bei ISO 800.
Knapp 100 Jahre nach seinem Tod wurde Prof. Kreutz im Übrigen die gleiche Ehre zuteil, die er seinerzeit seiner Geburtsstadt angedeihen ließ: Im Jahr 2004 (die Konvention der weiblichen Namen war längst aufgehoben) wurde der Kleinplanet (3635) Kreutz nach ihm benannt.
Update vom 01.09.2024
Am 25./26. August fand nun die im VdS-Journal angekündigte Passage von NGC 6772 statt. Und tatsächlich versprach der Abend des 25. klar zu werden. Der Newton war mit Kamera in Stellung gebracht, als pünktlich zur Astronomischen Dämmerung die einzig verbliebene Wolke im weiten Umkreis über Siegen Stellung bezog und sich eine Stunde lang hartnäckig hielt. Dann aber schien der Blick frei zu sein. Die Position von Siegena war schnell gefunden, die Nachführung lief, eine Testaufnahme sah gut aus. Also schnell das Programm vom letzten Montag gestartet – statt ISO 800 ließen die guten Bedingungen nun ISO 6400 zu.
Tja, das Ergebnis war ein weiterer Eintrag im Pannen-Almanach der laienhaften Astrofotografie: In der Eile hatte ich übersehen, dass das Belichtungsprogramm anstelle der geplanten 60 einminütigen Aufnahmen noch auf den am Montag hinterhergeschobenen 8 Bildern für die Darks stand… Eins davon musste noch verworfen werden, und so blieben nur sieben Minuten Belichtungszeit. Das reichte nicht, um Siegena als Strichspur zu identifizieren, und auch dem Bild von NGC 6772 hätten ein paar Photonen mehr ganz gut getan. Hier das Resultat: