Mücken-Mond

Wenn mal gerade nichts Wichtigeres passiert, kramen die populären Medien alte Mondbezeichnungen hervor, die als besonders spektakulär verkauft werden sollen – es gibt den Erdbeermond und den Wolfsmond, den Heumond und den Honigmond, und natürlich den immer wieder bemühten Supermond. Kaum eine Berichterstattung über eine totale Mondfinsternis kommt heutzutage ohne den reißerischen und phänomenologisch weitgehend unpassenden Begriff des „Blutmonds“ aus. Für mich sollte der verfinsterte Vollmond des 7. September hingegen eher als Mückenmond in Erinnerung bleiben.

In Mitteleuropa ging der Mond an diesem Abend bereits total verfinstert auf, um nach etwa einer Stunde aus dem Kernschatten der Erde zu treten. Eine frühe Sichtung würde unter diesen Umständen unmittelbar nach Sonnenuntergang tief am Horizont schwierig und unspektakulär werden, was in der medialen Einstimmung geflissentlich ausgeklammert wurde. Anstelle einer „glühend roten Kugel“ war zunächst mit nicht viel mehr als einer schemenhaften, eher gräulich-rostfarbenen Scheibe zu rechnen.

Ich hatte mir einmal mehr die Obernautalsperre als Beobachtungsstandort ausgewählt. Dass diese an einem warmen Sonntagabend kurz vor Sonnenuntergang noch gut besucht war, konnte erwartet werden. Nicht erwartet hatte ich hingegen, dass der Weg zu meinem etwas abseits gelegenen Wunschstandort durch einen Bauzaun unpassierbar war. Der Ausweichplan führte mich auf den Damm der Talsperre – hier war allerdings an einen Aufbau des Instrumentariums nicht zu denken, da sich auf der ganzen Länge des Damms Myriaden von Mücken formiert hatten, um ihr Revier gegen eindringende Amateurastronomen zu verteidigen. Als solcher hat man ja bei Dunkelheit und Kälte mit mancherlei Unbill zu kämpfen – Mücken zählten bisher nicht dazu.

Die Flucht in etwas höher gelegene Gefilde brachte zwar Linderung, allerdings fand sich hier kein Platz mit halbwegs freier Sicht Richtung Osten. Mittlerweile musste der Mond auch bereits über dem Horizont stehen – mit ihm taten dies aber auch recht dichte Schleierwolken, die eine frühe Sichtung ohnehin aussichtslos erscheinen ließen.

Ich wage die Rückkehr zum Damm. Der inzwischen erfolgte Untergang der Sonne und ein leicht aufkommender Wind dämpfen die Tanzeslust der Mücken doch erheblich. Als größerer Plagegeist entpuppt sich nun eine Siegerländerin, die sich die Obernau für ein abendliches Telefonat auserwählt hat und dieses in einer Lautstärke führt, dass ein Stenograph auf der anderen Seite des Damms das Gespräch hätte mühelos protokollieren können.

Gegen 20:45 Uhr und damit knapp zehn Minuten vor Ende der totalen Phase gelingt die erste visuelle Sichtung des Mondes. Wie erwartet erscheint er in einem fahlen Grau mit nur leicht angedeuteter rötlicher Färbung. Fast gleichzeitig passiert die stimmgewaltige Dame meine Position und berichtet live („hier steht einer mit Stativ“), wohingegen sie das Himmelsschauspiel mit finaler Enttäuschung abtut („man sieht nichts!“).

Angesichts medial überzogener Erwartungen mag dies verständlich sein. Der tiefstehende Mond kann sich nur mühsam gegen die Schleierwolken durchsetzen. Doch arbeiten drei Faktoren für ihn: Es wird dunkler, er steigt höher, und er nähert sich dem Rand des Kernschattens. Zwei Minuten vor Austritt ergibt sich folgendes Bild:

Zu Beginn der anschließenden partiellen Phase schimmert der verfinsterte Teil des Mondes noch für eine kurze Weile in einem rötlichen Ton:

Der voll beleuchtete Teil lässt die Schleierwolken sichtbar werden, die ein eindrucksvolleres Erlebnis an diesem Abend verhinderten. Der Grad der Verfinsterung nimmt nun schnell ab, und bald wird die rötliche Farbwahrnehmung durch den immer größer werdenden sonnenbeschienenen Part des Mondes überstrahlt. Schon gut zehn Minuten nach Ende der totalen Phase gehen die Spiegelungen in der Obernau ausschließlich auf den hellen Teil zurück:

Fazit: Man will ja immer das, was man nicht hat. Aber bei minus acht Grad gibt’s wenigstens keine Mücken.

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